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Itarildë

Höllenfeuer und Orcs

Der Weg durch die Höllenfeuerzitadelle wäre für Grímur und mich allein ein sicherer Weg in den Tod gewesen. Auch mit Ael an unserer Seite war es mitunter alles andere als ein Spaziergang, sicher nicht wegen der Stärke der Gegner, wohl aber wegen ihrer Überzahl. Meine Unerfahrenheit erwies sich als zusätzliche Schwierigkeit. Die Hexenmeisterin kämpfte nicht mit Pizfip an ihrer Seite, sondern beschwor einen Leerwandler, der erst ein paar Angriffe einstecken musste, bevor er zu Höchstform auflief. Er war ein Dämon. Wenn seine Energie aufgebraucht war, würde er wieder im Nether verschwinden. Er müsste erneut beschworen werden, was sicherlich lästig war und viel magische Energie kostete, sonst aber keinerlei bleibenden Schaden anrichtete. Das alles verstand ich, doch es war mir nahezu unmöglich, meinen Instinkten nicht zu folgen. Automatisch betrachtete ich alles, was an der Seite seines Herren kämpfte, als einen Begleiter.

Einen Begleiter schickte man nicht in den Tod, und man ließ ihn auch nicht allein in eine Meute hineinrennen und wartete, bis er müde geschlagen war. Sobald Zahl oder Stärke der Gegner mich in Alarmbereitschaft versetzten, griff ich bereits an, um den Begleiter zu schützen. Es war ein Reflex, wie das Atmen passierte es ohne mein Zutun und war kaum zu unterdrücken. Die Aggressivität des Dämons litt unter meinem vorschnellen Eingreifen, und damit auch die Effektivität unserer Gruppe. Feuergold  und ich gingen mehrmals bewusstlos zu Boden. Wäre Grímur nicht inzwischen zu einem respektablen Heiler herangewachsen, wir wären beide in dieser Nacht nicht mehr aufgestanden. Schließlich gelang es uns, unsere Aufgaben erfolgreich abzuschließen. Zufrieden mit dem Ergebnis, aber mit schmerzendem Kopf und schlechtem Gewissen wegen meiner Unbedarftheit, legte ich mich früh am Morgen für wenige Stunden zur Ruhe und hoffte, dass Feuergold die ärgsten Schläge besser verwunden hatte als ich.

Der Tag begann früh, doch wir widmeten uns leichteren Aufgaben, denen wir allein gut gewachsen waren. Nachdem wir in den letzten Tagen hauptsächlich in den Zangarmarschen und den Wäldern von Terokkar unterwegs gewesen waren,  schenkten wir nun wieder der Gegend um die Höllenfeuerzitadelle herum unsere Zeit. Bei einem Abstecher nach Shattrath, wo ich ein paar Besorgungen machen wollte, erreichte mich ein Päckchen von Graodan. Im ersten Moment war ich verblüfft, im zweiten fragte ich mich, ob fiese Schrumpfungszauber neuerdings versendbar waren und ich mich beim Öffnen in einen widerlichen Zwerg verwandeln würde, und im dritten dachte ich, dass derartige Kindereien höchstens Aeluinya zuzutrauen wären. Noch überraschter war ich, als ich den Inhalt in den Händen hielt. Für einen Augenblick war ich sicher, eine Arbeit meiner Mutter vor mir zu sehen. Diese akkuraten, sicheren Stiche, das sorgfältig ausgewählte, pfleglichst behandelte Material, die kunstvoll eingearbeiteten Schnallen – nie wieder hatte ich nach ihrem Tod solche Perfektion erblickt. Mir war es unbegreiflich, wie die groben Orchände zu derart feiner Arbeit fähig waren, aber diese Tasche war tatsächlich sein Werk.

Als ich den wertvollen Stoff befühlte und die Größe bei einer Tasche so geringen Gewichts bestaunte, fiel mir ein Papierstück in die Hände. Der alte Hexenmeister, von dem ich geglaubt hatte, dass er den Grimmling und mich bestenfalls für ein paar lästige Insekten hielt, die in den Hallen und Landen herumschwirrten, sprach mir seinen Respekt aus. Tief bewegt von dieser Geste, setzte ich ein Dankschreiben auf, legte stolz die Froststofftasche an und verwahrte seinen Brief sorgfältig zusammengerollt in meinem Bankfach. Gerne hätte ich mich bei ihm persönlich bedankt, doch er ließ sich nicht blicken. Im Stillen wünschte ich ihm sichere Reisen und hoffte, dass er wohlauf war.

Das Päckchen sollte an diesem Tag nicht die einzige Überraschung bleiben, die mir ein Orc bescherte. Zu meinen Aufgaben war ein Botengang hinzugekommen, der mich nach Orgrimmar führte. Normalerweise hätte ich diesen Auftrag abgelehnt, war es doch eine einfache Laufburschenarbeit, die einen riesigen Umweg mit sich brachte, doch die Botschaft, die ich zu überbringen hatte, war von äußerster Wichtigkeit, und sie führte mich direkt zu Thrall selbst. Ich war ihm nie zuvor persönlich begegnet, und auf Heldengeschichten hatte ich nie viel gegeben, wurden sie doch mit jedem neuen Erzählen nur mehr aufgebauscht. Nun ging ich gemäßigten Schrittes auf ihn zu. In seinem Blick vereinten sich der Ausdruck eines scharfen Verstandes, unerschütterlicher Stärke, aber auch Besonnenheit, und unwillkürlich verbeugte ich mich tief vor ihm, ehe ich die Stimme erhob. Die Nachricht aus der Scherbenwelt erschütterte ihn. Er wollte sofort aufbrechen, doch seine Untergebenen ermahnten ihn, dass nicht der richtige Zeitpunkt sei um Kalimdor zu verlassen. Ohne mit der Wimper zu zucken, pflichtete er ihnen bei und erließ neue Anweisungen. Die Kritik, für manch anderen Anführer ein willkommener Vorwand zur Machtdemonstration, nahm er völlig sachlich und gelassen hin. Die Worte, die er an mich richtete, zeigten mir, dass er Dinge genau wie Kintan einst gern von verschiedenen Seiten beleuchtete und nicht voreilig ein vernichtendes Urteil fällte. Als er mich um einen Gefallen bat, der meine sofortige Rückkehr in die Scherbenwelt verlangte, zögerte ich nicht. Er war zu recht ein großer Anführer, und es erschien mir keineswegs als Schande ihm zu Diensten zu sein.

Nach getaner Arbeit widmeten wir uns wieder anderen Aufträgen. Spät am Abend versuchten wir uns an der Grenze zwischen der Höllenfeuerhalbinsel und den Zangarmarschen wieder einmal an den grässlichen Riesen vorbeizuschleichen, doch sie entdeckten uns und spielten uns so übel mit, daß uns nichts anderes übrig blieb, als den Rückzug anzutreten. Die Schläge, die wir einstecken mussten, ließen die Schmerzen der gestrigen Wunden erneut aufflammen, und wir wollten uns schon ein sicheres Gasthaus suchen, um unsere geschundenen Körper zur Ruhe zu betten, als ich den Ruf der Streiter vernahm. Grímur bat um Beistand in Nagrand, Khylon und Ael schlossen sich ihm an und riefen auch mich zu sich, und in meiner Unvernunft folgte ich, weil ich nicht abseits stehen wollte.

Nagrand war für mich unentdecktes Gebiet, seine Bewohner waren meinen Kräften deutlich überlegen, und es war ein Segen, dass meine Orientierung mich im Stich ließ und ich zumeist die Hälfte des Kampfes verpasste. Mit meinem vom Schmerz umnebelten Hirn wäre ich doch nur direkt in die Arme des Gegners gerannt, und für einen ausgeruhten, frischen Kämpfer wäre es an diesem Abend ein Leichtes gewesen mich zur Strecke zu bringen, trotz der starken Gefährten, die mir Schutz und Schirm waren. Als wir schließlich weiterzogen und wieder vor dem Eingang zur Höllenfeuerzitadelle standen, wo auch ich eine neue Aufgabe zu erfüllen hatte, übermannte mich die Erschöpfung. Ich fühlte mich kaum noch in der Lage ein Gasthaus zu erreichen, und so verabschiedete ich mich schweren Herzens und suchte mir einen nahegelegenen Schlafplatz unter freiem Himmel. Ob Feuergold noch die Kraft fand über mich zu wachen oder ob das Glück uns einfach hold war, vermag ich nicht zu sagen. Einen Tag und eine Nacht versank ich in tiefer Bewusstlosigkeit, bevor ich mit immer noch müden Gliedern erwachte.

2 Antworten auf „Höllenfeuer und Orcs“

Eine schöne Geschichte – mal wieder. Toll, wie du das Spielgeschehen in diese eingebracht hast. Wirklich schön.

Ich danke dir. Für’s Lesen, für’s Loben und natürlich vor allem für deinen char, der mir regelmäßig mindestens die Hälfte der Geschichte auf dem Silbertablett serviert. 🙂

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