Wieder einmal begleiteten Grímur und Aeluinya mich in die Höllenfeuerzitadelle – selten hatte mich ein Ort so sehr ermüdet -, und ich bemühte mich sehr, den Anweisungen der Hexenmeisterin Folge zu leisten. Auch als sie mir nahelegte Feuergold zurückzuhalten, widersprach ich nicht. Die Höllenorcs betrachteten ihn als leichte Beute und stürzten sich auf ihn wie Fliegen auf einen Kadaver. Ohne ihn fühlte ich mich fürchterlich schwach und nutzlos, doch es war für uns alle sicherer so.
Als wir die zerschmetterten Hallen in den frühen Morgenstunden verließen, versuchte ich lange den Mut zu fassen und Aeluinya um ein Gespräch zu bitten, doch meine Angst war zu groß. Solange ich es nicht besser wusste, konnte ich an dem Gedanken festhalten, daß auch sie nur vergessen hatte, daß auch ihre Erinnerungen durch einen Zauber gestohlen worden waren. Wenn sie sich doch erinnerte und unserer Vergangenheit absichtlich den Rücken kehrte, wenn sie mich absichtlich so auf Distanz hielt, so wollte ich es gar nicht wissen. Schon die Zweifel waren mir unerträglich. Andererseits bereitete mir die Distanz selbst schon solche Qualen. Ich fühlte mich ihr unglaublich nahe und sehnte mich so nach der Freundin aus Kindertagen, doch sie blieb mir trotz ihrer Hilfsbereitschaft im Kampf unerreichbar fern. Ihr Herz blieb mir verschlossen, während meines sich nach ihr verzehrte.
Ich wusste nicht, wo sie hergekommen war und wohin Vater sie gebracht hatte – er hatte zwei Namen erwähnt, die mir nichts sagten -, doch die Zeit dazwischen war in mir wieder lebendig geworden. Nie brannte die Einsamkeit mehr als vor dem Hintergrund vergangener Tage, als ich in ihrem Herzen noch eine Heimat hatte. Schließlich schrieb ich ihr eine Nachricht, trieb den Boten zur Eile an und widmete mich gefährlichen Aufgaben, um ihm nicht nachzureiten und den Brief zurückzuverlangen.
In Nagrand gab es für einen Jäger meines Ausbildungsstandes kaum noch Abenteuer, die sich allein bestreiten ließen. Nach fremden Gefährten wollte ich nicht suchen, vor Aeluinya wollte ich mich verstecken, und seit Grímur nur noch durch Nordend zog, hatte ich das Gefühl ihn nicht um Beistand bitten zu können, ohne seinen Ausbildungsfortschritt erheblich aufzuhalten. Ich riskierte einen ersten Blick nach Nordend, doch mein Gefühl sagte mir, daß es noch nicht an der Zeit sei, in den eisigen Landen nach neuen Herausforderungen zu suchen. Die Scherbenwelt wollte erst noch bezwungen werden.
Bei meiner Rückkehr wagte ich es, ein Gasthaus aufzusuchen. Keine Nachricht erwartete mich. Nun gut. Auch das war eine Antwort. Sie wollte mich nicht. Warum sollte ich überrascht sein? War es nicht immer so gewesen? Die, zu denen ich gehörte und die ich liebte, wollten mich nicht oder starben zu bald. So war es am besten. Ich verlor sie an den Lauf der Welt, nicht an den Tod. Vielleicht war es das und nicht mehr, was ich von einem gnädigen Schicksal erhoffen durfte. Die Welt war mir nicht Freund und würde es niemals sein.
Ich versuchte das Aufbegehren gegen die Dinge, die ich nicht ändern konnte, zu ersticken, die Verzweiflung abzutöten, die aufzusteigen drohte. „Sei kalt wie ein Fels in den Nächten Winterquells“, beschwor ich mich selbst, „sei hart wie das Eis auf den Seen, das das Leben unter sich begräbt.“
Ich war kein Fels. Ich war kein Eis. Ich war das Sandkorn, das von den unberechenbaren Strömungen der tiefsten Tiefen mitgerissen und bald hierhin, bald dorthin geschleudert wurde.
2 Antworten auf „Schweigen“
Nun muss ich ja langsam mal nachlegen … wenn Ita schon den ersten Schritt mit dem Brief gewagt hat.
((Warte ab. Ich schreibe dir doch schon deinen Aufschub. 😉 ))