Er öffnete zögerlich die Augen und versuchte, seine Umgebung richtig wahrzunehmen. Etwas stimmte nicht.
Das letzte, woran sich Nurm erinnern konnte, war, dass er in einer Kriche in einer kleinen Gemeinde in Tirisfal ein Gottesdienst abgehalten und danach tief im Gebet gesessen hatte. War da ein Geräusch gewesen ? Nurm wusste es nicht mehr. Was war geschehen ? Er setzte sich auf und stellte fest, dass er auf einem steinernen Altar lag. Nurm blinzelte. Der Altar befand sich nicht in der Kirche, so düster, wie es hier war. Er war in einer Gruft ! Beim heiligen Licht ! Erschrocken krabbelte Nurm vom Altar herunter. Sein Blick fiel dabei auf seine Hände. Seine Hände !!
Großer Vater, was war passiert ? Seine Hände ! Sie waren…sie waren übersät mit dunklen Schwären und hatten ausgefranste Löchter. Hier und da waren sogar gelbliche Knochen zu sehen. Fauliges Fleisch hingen in kleinen Schnipseln von den Fingern. Bestürzt, verängstig und der Ohnmacht nahe, stieß
Nurm einen grauenerfüllten Schrei aus. Noch ehe der Widerhall seines Schreies in der Gruft verklungen war, öffnete sich quitschend eine alte Holztür, die sich hinter Nurm befand. Ein unruhiger Fackelschein erhellte den Raum.
„Ah“, krächzte eine Stimme. “ Ihr seid wach.“
Nurm drehte sich verstört um. Auf dem ersten Blick handelte es sich beim Fackelträger um einen Wachposten. Doch der Fackelschein deckt diese augenscheinliche Lüge schnell auf: die Uniform des Wachposten war zerrissen und von Motten zerfressen, ein Fleischlappen hing von seinem Gesicht herunter und dem Fackelträger fehlte ein Auge. In der leeren Augenhöhle rekelte sich eine gelblich glänzende Made. Nurm schnappte nach Luft.
„Jaja“, sagte der Fackelträger. “ Immer das gleiche. Kommt mit heraus und macht Euch nicht zuviele Gedanken. Es wird alles gut.“ Der Fackelträger wandte sich zum Gehen, drehte sich aber nochmal um.
„Meine Name ist Tomas. Folgt mir.“ Dann setzte er sich in Bewegung. Der Raum wurde wieder dunkel. Die wieder aufkommende Dunkelheit schien Nurm die Luft zum Atmen zu nehmen. Rasch hob er sein Gewand (welches Löcher und Schmutz aufwies, doch dies bemerkte Nurm nicht; vielleicht ingorierte er diesen Umstand auch unbewußt).
„Wartet ! Wartet ! Bitte !“, rief Nurm Tomas hinterher. Tomas drehte kurz seinen Kopf, blieb aber nicht stehen. Nurm beschleunigte seinen Schritt. Nurm folgte dem Fackelschein
und einen Gang, der sich noch oben wand. Ein frischer Luftzug wehte ihm entgegen. Langsam war der Eingang der Gruft erkennbar, undeutlich hob er sich vom grauen Himmel ab,
doch Nurms Schritte beschleunigte sich noch mehr.
Draußen wartete Tomas auf ihn. Er steckte die Fackel in einem Halter neben dem Eingang und nahm eine einladende Haltung ein. Nurm heraus, blinzelte…und wankte.
„Willkommen in Todesend, Verlassener.“
Nurm schnappte nach Luft. Beim Licht, was war dies für eine Gegend ? Halb eingestürzte Gebäude, windschiefe Häuser, verloderte Marktstände…selbst die Flora schien ein Hauch von Verfall anzulasten. Der Himmel selbst sah ungesund aus.
Tomas lachte gackernd.
„Oh ja, es ist viel passiert, seit Sylvana sich vom Lich-König losgesagt hat. Dies ist ein Teil unseres Erbe, unsere Heimat…von uns, den Verlassenen. Dies Land ist verdorben, bis in ihre
Wurzeln und wir, die sich vom Leben nichts ganz los gesagt haben, wandeln auf ihr und nehmen es als unser Eigen. Folgt dem Weg hinunter, bis zur Kapelle. Dort erfahrt ihr mehr.“
Mit unsicheren Schritten ging Nurm los.
„Ja ja, geht nur „, spornte ihn Tomas an, “ Es wird sich alles zurecht fügen, glaubt mir.“
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2 Antworten auf „Das Erwachen“
Wunderbar! Nun hat auch Nurm eine Geschichte – auch wenn ich einige Sachen gar nicht so genau wissen wollte ;-). Ich bin gespannt, was der Untote so alles erlebt auf seiner Reise.
Mann, Mann, Mann! Da läuft er jetzt los, und Ihr lasst uns alle allein – bitte schreibt recht bald weiter. Auf Tomas mag ich erst einmal noch nicht vertrauen, und ich fürchte, daß Nurm nicht die besten Neuigkeiten erfährt… *schluckt*