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Aeluinya

Warten

Wie viel Zeit war vergangen? Waren es Tage? Minuten? Waren es Stunden oder war es gar noch viel länger? Ich blinzelte. Das helle Licht tat in meinen Augen weh. Ein Stich direkt in den Sehnerv. Ich hatte das Gefühl, auf meinen leblosen Körper zu blicken. Als fremde Gestalt neben mir stehend. Ich sah, wie ich versuchte aufzustehen, wie ich Arme und Beine bewegte. Unkoordiniert und ohne Kraft krabbelte ich wie ein Insekt auf dem Steinboden umher. Erbärmlich. Schwach. Ich sah mich selbst flehend an. Töte mich! Zerquetsche mich! Doch ich stand nur da, schaute mir selbst tief in die Augen und zeigte auf den Rand des Steinvorsprungs, von dem es tief hinunter zur Terrasse des Lichts ging. Meine Hände griffen in die Fugen zwischen den Steinplatten und zogen mich Richtung Abgrund. Ich schaute hinab. Harter, fein geschliffener Stein war dort zu sehen. Die scharfen Kanten glänzten im Farbenspiel des Nethers. Wunderschön. Ich schloss die Augen und rollte über den Vorsprung. Die Luft umschlang meinen Körper, lies mich schwerelos scheinen. Mein Haar wehte um meine Stirn und meine Robe flatterte wie ein Banner des Triumphs im Wind. Ich öffnete die Augen und schaute nach oben. Dort stand ich an der Kante und blickte auf mich hinunter. Ich lächelte mich an. Dann durchzog ein Schmerz meinen Körper …

Ein lauter, intensiver Schrei entwich meinem Mund und ich schreckte hoch. Ich schaute mich um und bemerkte, dass ich noch immer auf dem Steinboden in Shattrath lag, auf dem ich nach dem Kampf in der Höllenfeuerzitadelle anscheinend eingeschlafen war. Meine Atmung war unregelmäßig und das Pochen des Pulses tat in jedem meiner Arme weh. Ich krempelte die Ärmel der Robe hoch und sah, wie meine Adern anscheinend die Haut durchbrechen wollten. Jeder Pulsschlag war wie ein Dolchhieb eines Schurken. Ich rieb meine Unterarme und bemerkte, dass die Haut rau und fest geworden war – eine lederne Oberfläche umhüllte meinen Körper. Ich stand auf und hangelte mich von Wand zu Wand zum nächsten Gasthaus. Was ich dort bestellte, weiß ich nicht mehr. Vielleicht war es Milch, vielleicht auch Wein. In meinem Kopf wirbelte es wie in den tiefen des Nethers. Nachdem mein Durst gestillt war, ging ich zum Brunnen auf dem Plateau und erfrischte mein Gesicht an dem kühlen Nass des frischen Wassers. Meine Kraft und klare Gedanken kamen langsam wieder. Nach einer kurzen Pause auf dem Rand des Brunnens klopfte ich mir den Dreck von der Kleidung, ging wieder Richtung Gasthaus und setzte mich erschöpft an einen Tisch. Da ich noch kein Zeitgefühl hatte, weiß ich nicht, ob der Bote schon kurz darauf oder erst später zu mir kam. Er legte einen Umschlag neben meinen Krug und schaute mich nur herablassend an während er ging ohne auf eine Münze von mir zu warten. Ich schaute zurückhaltend nach rechts und links. Da außer mir niemand im Raum saß, stand ich auf, band meine Haare zusammen und richtete meine Kleidung. Dann fiel mein Blick auf den Umschlag.

Ich nahm den Umschlag vom Tisch und wendete ihn, um den Absender lesen zu können. Bewegungslos starrte ich auf den Namen, der dort stand: Itarildë.

Meine Finger setzten an, ihn aufzureißen, doch im letzten Moment stoppten sie. Ich biss mir auf die Lippen und zog meine Hand zurück, die mir eben noch die Nachricht der Jägerin präsentieren wollte. Nein, ich war noch nicht bereit für den nächsten Schritt. Ein weiterer Stich in mein Herz hätte meine Seele vollends aus meinem Körper gerissen. Ich schaute emotionslos auf den Umschlag, strich vorsichtig darüber und packte ihn in meinen Beutel.

Ich atmete tief durch, nahm mein Schwert und verließ das Gasthaus. „Was auch immer Ihr von mir wollt, Ita, es muss warten. Doch was auch immer Ihr von mir wollt, es wird mich erreichen.“ hauchte ich liebevoll in die Weite und machte mich auf den Weg ins Ungewisse.

Eine Antwort auf „Warten“

((„Eine Träne rollte über mein Gesicht. Sie schaffte es bis zum Kinn und fiel unbemerkt ins Meer, wo sie von der weißen schäumenden Gischt verschluckt wurde.“ -T. Elsässer

Danke… *schluckt*))

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