Nurm eilte dem Orc nach, der vor den Hallen der Finsteren Streiter stehen geblieben war, und sah ihn einen Moment an.
Dann murmelte der Krieger etwas wie "Lieber nicht ohne Rüstung", bedeutete ihm kurz zu warten und ging wieder in die Hallen. Nach einigen Momenten kam der Orc wieder heraus, in voller Rüstung gekleidet. Ehrfurchtsvoll sah der Priester den Krieger an.
"Ziehen wir in den Kampf ?", hauchte Nurm fast ängstlich.
Der Orc grinste ihn an, schüttelte dann aber den Kopf.
"Nein, aber ich weiss nicht, ob ich mich allein auf Eure Heilkünste verlassen kann."
Nurm sah ihn mit trüben Augen an.
"Eine alte Kriegerangewohnheit, die man nicht so schnell ablegt", beeilte sich der Orc schnell zu sagen.
Nurm sah ihn weiter mit trüben Augen an. Er zuckte mit der Nase.
Da der Orc keine weiteren Äußerungen erhielt, zuckte er mit den Schultern und ging die Straße entlang, die sich quer durch Orgrimmer schlängelte. Nurm hob seine Robe und tippelte hinterher. Auf der Straße war viel los. Vielerlei Volk war unterwegs: Orcs, Trolle, Untote, Tauren und Blutelfen. Viele waren zu Fuß unterwegs, und noch mehr zu Pferd. So kam es Nurm zumindest vor. Und der musste feststellen, dass man dem Orc bereitwillig Platz machte, ihm aber umso weniger. Nicht selten stieß er sich schmerzhaft seine blanken Knochen.
Die Hitze sammelte sich in den Schluchten von Orgrimmar. Für Orcs mag dieses Klima angenehm sein, aber nicht für Unote, dachte sich Nurm.
Die Straßen waren nicht gepflastert, sondern waren vielmehr breite, plattgetretene Pfade. Der Staub hing trocken in der Luft und verursachte ein leichtes Kitzeln in seiner Nase. Nurm nieste. Gorrtak schaute kurz über seine Schultern zurück und sah in eigenartig an. Nurm nieste erneute. Er juckte sich an der Nase, doch richtig Linderung brachte es ihm nicht.
Der Orc führte sie zu einer Brücke, die eine breite Straßenschlucht überspannte und zu einem Turm führte, der aus Holz und Tierhäuten gebaut war und mitten im Zentrum von Orgrimmar stand. Nurm erkannte diesen Turm.
Oben im Turm, auf einer plattformähnlichen Fläche, befand sich der Flugmeister von Orgrimmar, der gegen eine gewisse Gebühr Flugtiere verlieh und so den Fluggast zu einem bestimmten Punkt in Kalimdor brachte.
Nurm war noch nie mit einem derartigen Flugtier geflogen und ein gewisses Unbehagen machte sich in seiner Bauchgegend breit. Die Wirkung der Pillen, die er genommen hatte, schien schnell nachzulassen. Er blieb stehen und prompt lief ein Taure in seinen Rücken, der auf das abrupte Stehenbleiben des Untoten nicht vorbereitet war und böse vor sich hinbrummelte. Mit einem gewaltigen Satz, aber auf unsicheren Beinen, stolperte Nurm die letzten Meter zum Turm.
Gorrtak sah ihn mit hochgezogenen Augenbraunen an.
"Kommt Ihr ?", fragte er und drückte dem Flugmeister ein paar Silbermünzen in die Hand.
Nurm blieb unentschlossen stehen. Ihm wurde schon vom Gedanken allein schwindelig, hoch oben auf einem Turm zu stehen. Straßenlärm hallte schwach nach oben. Der Wind wehte hier oben frischer. Nurm schloss seine Augen, wobei dies nicht viel brachte, da sein rechtes Augenlid löchrig war. Seine Nase kribbelte.
"Ihr seht nicht gut aus, Priester, Ihr werdet ja schon ganz blau", meinte der Krieger besorgt.
Der Flugmeister sah ebenfalls besorgt aus, doch seine Besorgnis bezog sich mehr auf das Wohl seines Flugtieres.
Nurm versuchte stark zu sein und winkte ab. Es war ein schwacher Wink.
"Es geht schon, Gorrtak, es geht schon", erwiderte er. "Der Weg hierher und die Aufregung vorher…ist wohl ein wenig zu viel für mich."
Nurm holte tief Luft und besah sich das löwenähnliche Tier, dem an den Seite Lederschwingen gewachsen waren, und auf einen breiten Holzpflock Platz genommen hatte. Es knurrte und legte den Kopf schief. Nurm nahm seinen Mut zusammen.
"Dann lasst uns los, Krieger", sagte der Priester.
Der Flugmeister, ein älterer Orc mit bereits ergrautem Haar und faltigem Gesicht, hob kurz die Hand und trat auf die beiden zu. Zu Nurm gewandt meinte er:
"Man sieht Euch an, dass Ihr noch nie mit dem Wind geritten seid. Bitte, tut mir einen Gefallen, lasst das Fell meines Tieres sauber und nehmt hiervon einen großen Schluck."
Er reichte Nurm eine abgegriffene Flasche. Der Priester zögerte kurz, nahm dann aber einen großen Schluck, als Gorrtaks Blick ungeduldiger wurde.
Nurm würgte kurz, denn der Geschmack des Getränks war nicht gerade….schmackhaft. Er seufzte, setzte die Flasche ab und wischte sich mit dem Robenärmel den Mund ab. Er gab die Flasche dem Flugmeister zurück. Dieser trat nun beiseite machte den Weg für ein großes Reittier frei.
Gorrtak nahm die Zügel, schwang sich auf das Tier und deutete hinter sich.
"Setzt Euch hinter mich."
Nurm sah ihn kurz an und ohne weiteres nahm er hinter den Orc Platz. Er fühlte sich wohlig. Sehr wohlig sogar. Ein kurzes Lachen entkam ihm, dann hielt er sich gut an den Orc fest, als er hinter ihm Platz nahm.
Der Orc dirigierte das Flugtier zum Rand des Turmes.
"Und haltet Euch gut fest", meinte der Krieger.
Mit diesen Worten ließ er das Flugtier über den Rand hinab in die Tiefe springen. Das Flugtier entfaltete seine Schwingen, fing den freien Fall sanft auf und schwang sich weiter in den Himmel hinauf.
Nurm jauchzte laut.
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Eine Antwort auf „Der erste Flug“
Mein freundlicher Priester wird mit einer Droge nach der anderen vollgestopft… Ich wähnte ihn bei dem alkoholverachtenden Orc in guten Händen, doch so langsam bekomme ich das Gefühl, daß es angebracht wäre, unseren jungen Freund besser im Auge zu behalten. Was für Zeug hat er jetzt schon wieder geschmissen? *reist besorgt nach Azeroth*