Das Feuer vor mir brannte in wunderschönen Orangetönen und fasziniert von dem Farbenspiel schaute ich in die Flammen. Wie jeden Abend hatte ich es mir auf einem Bärenfell vor dem Kamin des Gasthauses im Horden-Viertel von Dalaran bequem gemacht. Meist schlief ich sofort ein, manchmal habe ich auch noch an einen zurückliegenden oder bevorstehenden Kampf gedacht. Doch die letzten Abende waren meine Gedanken nur noch befallen von meiner Vergangenheit. So auch dieser. Ich erinnerte mich an die Anfangszeit meiner Reise, die mich hierher geführt hat …
Meine Ausbildung zur Nethermagierin begann ich bei Alamma, einem Hexenmeister, der auch heute noch sein eigenes kleines Reich in den Tiefen eines Hauses der dunklen Gasse in Silbermond hat. Gut abgeschottet von äußeren Einflüssen lernte ich dort die dunkle Magie kennen, die andere Magister oft als Überschreitung der moralischen und sicheren Grenzen bezeichnen. Die Magie direkt aus dem Nether anzuzapfen, ist zwar verlockend, aber gefährlich. Doch Alamma musste mir nicht beibringen, mich nicht zu überschätzen – eine Eigenschaft, die einigen Schülern den Tod oder noch Schlimmeres brachte. Nein, überschätzt habe ich mich nie, aber der starke eigene Wille, der notwendig ist, um sich gegen die Mächte aus dem Nether zu wehren, der musste in mir erst entfacht werden. Ich stand oft am Abgrund zur Ohnmacht und wollte mich fallen lassen, doch der Lehrer an meiner Seite sowie meine Selbstzweifel haben mir in der Ausbildungszeit geholfen, mich der Verderbnis nicht vollständig zu ergeben.
Ich unterbrach meine gedankliche Reise in die Vergangenheit und nahm einen Schluck Wein. Mir wurde plötzlich bewusst, dass ich es wohl meiner Unsicherheit zu verdanken habe, auch heute noch einen eigenen Willen zu besitzen. Ich kam ich ins Grübeln. Wo ist die Grenze zwischen Stärke und Schwäche, die ein Nethermagier weder in die eine noch in die andere Richtung überschreiten darf? Hatte ich eine Seite inzwischen vielleicht sogar erreicht ohne es zu bemerken? Und wann ja, wäre es denn wirklich so schlimm gewesen?
Ich blickte mit leerem Blick in das Feuer des Kamins. Es gab eine wohltuende Wärme ab und weckte in mir das Gefühl von Geborgenheit. Es erinnerte mich aber auch an die unzähligen verbrannten Körper, die ich bisher auf und auch neben den Schlachtfeldern hinterlassen habe. Als ob eine Flamme auf meinen Körper übergesprungen wäre, brodelte es plötzlich in mir. Ich hatte das Gefühl, innerlich zu verbrennen und krümmte meine Finger zu Fäusten. Erst nach einigen Minuten erinnerte ich mich an das Glas, das ich noch in meinen Händen hielt und spürte die Scherben, die sich nun in meine Handfläche bohrten. Auf dem Boden vermischte sich mein Blut mit dem süßen Wein aus dem Glas und gebannt schaute ich auf die sich vermengenden Flüssigkeiten. „Freude und Leid“, dachte ich mir und holte einen Verband aus meinem Beutel. Ich dachte an Itarildë, die in mir dieses Gedankenwirrwarr hervorgebracht hat und eine Unsicherheit auslöste, von der ich glaubte, sie längst abgelegt zu haben. „Verdammte Jägerin“, murmelte ich als die Schmerzen in meiner Hand langsam spürbar wurden. Ich legte meinen Kopf zur Seite und dachte an unsere bisherigen Begegnungen. Ich wollte sie verstehen, denn vielleicht verstand ich so ja mich.
Unser erstes längeres Gespräch unter vier Augen war in Feralas am Verdantis. Ich war überrascht von der Neugier der Jägerin, denn obwohl sie ganz offensichtlich sehr wenig von Magie und noch weniger von dunkler Magie hielt, stellte sie eifrig Fragen dazu. Die Mischung aus Interesse und Ablehnung zog mich in ihren Bann und obwohl ich anfangs dachte, sie spiele mit meinen Gedanken, kam mir mit jeder weiteren Minute mehr und mehr in den Sinn, dass ich es war, die ihre Gedanken steuerte. Ich war verunsichert, denn obwohl ich scheinbar in der stärkeren, der führenden Position war, schien dennoch Itarildë den Weg vorzugeben. Ich bemerkte, wie ich mich mit Stimmungsschwankungen zu wehren versuchte. Das Gefühl, ihr nichts entgegensetzen zu können, machte mich wütend. Oder wollte ich mich gar nicht wehren? Ich schaute zu ihr rüber. Dort saß sie, auf ihre Angel konzentriert, den wachsamen und unruhigen Begleiter an ihrer Seite. Eine stolze Blutelfe, ebenso verletzlich wie angsteinflößend zugleich. Plötzlich sah ich mich auf eine befremdliche Weise in ihr wieder. War es das? War sie meine Vergangenheit? Oder mein anderes Ich? Ich schüttelte mich bei dem Gedanken, welch finstere Mächte hier ihr Spiel mit mir treiben müssen. Der Abend am Verdantis zog sich noch eine Weile hin und ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, er hätte keinen Spaß gemacht.
Das Feuer vor mir brannte nur noch leicht und das Gasthaus in Dalaran leerte sich langsam. Ein paar Orcs und Trolle waren auf den Bänken vor ihren umgekippten Krügen eingeschlafen und machten Geräusche, die mich schmunzeln ließen. Meine Augen fielen langsam zu und bemerkten das Blut und den Wein auf dem Boden vor mir. Beides ist zu einer einzigen, untrennbaren Masse geworden. Ich drehte mich auf den Rücken und schaute an die Decke. „Freude und Leid“, hauchte ich in die Luft und schlief ein.
3 Antworten auf „Freude und Leid“
Was ist es nur, das uns zusammenführte, wirre Ahnungen weckte und alles in Frage stellte, dessen wir uns sicher waren? Wer zieht die Fäden, und welches Schicksal hat man uns zugedacht? Freude und Leid, so steht es hier geschrieben. In Hoffen und Bangen erwarte ich die Dinge, die noch geschehen.
((ooc: Du bist verdammt gut. Jetzt gibt es kaum noch eine Wahl, das wird eine gemeinsame Geschichte. Für mich eine ganz neue Herausforderung… Ich bin höchst gespannt, wie es mit uns weitergeht. 😉 Du bist dran. ))
Ich will hier niemanden in eine Geschichte drängen. Falls du deine eigene oder eine andere Geschichte weiterverfolgen willst, habe ich deshalb auch eine Hintertür im Kopf, wie das ganze hier beendet werden kann. 😉
((Auf gar keinen Fall! Das ist der größte Reiz, den das Schreiben je für mich hatte. Unbekannter Plot, unberechenbare Charaktere, unvorhersehbare Ereignisse, ein stetiger Wechsel zwischen lenken und reagieren… Großartig. Und jetzt wartet ein Text auf mich, von dem ich den ganzen Tag gehofft habe, er würde heute vielleicht noch geboren werden – Ael war fleißig. Bitte nicht stören. 😉 ))