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Itarildë

Refugium

Der Abend am Verdantis… Welcher Zauber auch immer da wirkte, er befiel auch den Ort, um nicht zu vergehen. Auf ewig hatte sich dieses Bild in meine Netzhaut eingebrannt: die Hexenmeisterin, die an seinem grünen Ufer saß und die Angel auswarf. Wann immer ich den Verdantis passierte und Aeluinya nicht wirklich dort sah, entdeckte ich die Einsamkeit, die sie dort hinterlassen hatte, doch es war eine Einsamkeit, die die Erinnerung an kostbare Stunden in sich trug.

Wie schwach und verwirrt ich damals gewesen war… Und wie wenig sich daran geändert hatte. Unablässig waren meine Gedanken um die Magie gekreist, die Magie, die ich hasste, weil sie mein junges Leben so schwer gemacht hatte, die Magie, die ich begehrte, seit sie durch Aeluinya zu mir sprach. Düster hatten die Erinnerungen an meine Zeit in Silbermond und die Gedanken an Vaters Familie mein Herz bewegt, doch zugleich hatte ihre Nähe mich wie ein Strahlen voller Wärme wohlig eingehüllt. Jedes dunkle Grübeln fand bereits Trost, solange sie nahe war. Allein ihre Melancholie erfüllte mich mit ungeschmälertem Kummer, und ein fremdes Gefühl, leise sehnend, sorgend und sonderbar behutsam (war das Zärtlichkeit?), völlig unangemessen angesichts ihrer Stärke und Überlegenheit, wallte in mir auf.

Ihre Nähe war etwas, das mir wohltat. Ihre Abwesenheit begann mich zu schmerzen. Obwohl auf jedes freundliche Wort sicher zehn wechselseitige Beleidigungen und Sticheleien kamen, verließ mich nie das Gefühl, daß irgend etwas unsere Herzen verband. Ich hatte den Eindruck, daß unsere Wege sich nicht zufällig gekreuzt hatten, sondern daß unsere Lebensbahnen auf bisher unbegreifliche Weise wie die Fäden eines Teppichs miteinander verwoben waren. Das allein wäre ein schöner Gedanke gewesen, nur beschlich mich von Zeit zu Zeit eine ungewisse Ahnung, daß unser Schicksal noch einen Vogel mit schwarzen Schwingen vor uns verbarg, dessen Flügelschatten uns eines Tages einholen sollte.

Während ich am Verdantis saß – er war meine Zuflucht geworden, mein Refugium -, entglitt mir ein Seufzer, und ich gestand Feuergold: „Sie fehlt mir schon sehr.“ Mein Falke sah mich aus traurigen Augen an, als ahnte er einen Kummer künftiger Tage, der in eben diesem Moment unabwendbar geworden war.

2 Antworten auf „Refugium“

Wo gibt es einen besseren Ort für Kummer? Am Verdantis gibt es Raum und Stille dafür, und seine Schönheit ist ein Trost ohne leere Versprechungen. Wie selten das auf der Welt doch ist…

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