„Aeluinya … Aeluin …“, röchelte Alamma als ich seinen Hals mit fester Hand gegen die Wand drückte. Er packte meinen Arm und versuchte, sich von ihm zu befreien. Doch mit jedem Versuch, meinem Griff zu entkommen, zog ich meine Finger nur noch mehr zusammen. Alamma schnappte nach Luft, während ich ihn mit versteinerter Miene anschaute. „Ein einfaches Spiel. Ich frage, Ihr antwortet. Gefällt mir die Antwort, dürft Ihr leben.“, erklärte ich in ruhiger, fast sanfter Stimme die Regeln. Eine stimulierende Energie durchfloss meinen Körper, meine Augen funkelten wie die Lichtspiele des Himmels über Draenor, meine Adern wurden zu reißenden Flüssen des Feuers. Ich sah Angst im Gesicht meines alten Meisters und musste laut lachen. „Ihr habt Angst vor dem Tod? Vielleicht habe ich Euch überschätzt. Zu lange habt Ihr Euch in diesem Keller versteckt in sicherer Entfernung zum Kampfgeschehen. Ihr seid alt und schwach geworden.“ Ich schaute ihn angewidert an. Nach einer kurzen Pause fuhr ich fort: „Vielleicht wird es Zeit, Euren Platz freizugeben.“
„Aeluinya …“, begann Alamma einen zweiten Versuch. Doch während mein Name noch im Raum hallte, flog der Hexenmeister durch mehrere Stühle und Tische hindurch, die mit einem lauten Knall in tausende Teile zersprangen und blieb an der gegenüberliegenden Wand liegen. Er hustete, wischte sich mit seinem Umhang das Blut von der Nase und schaute langsam auf. „Nein, ich habe keine Angst vor dem Tod und ja, ich bin schwach geworden.“, erwiderte Alamma in seiner gewohnt besonnenen Art, die mich immer hat zu ihm aufblicken lassen. Er schaute mich mit traurigen Augen an und ich musste an meinen Traum in Shattrath denken, als ich mich selbst auf dem Boden liegen sah, schwach und verletzlich. Ich spürte, wie die Energie meinen Körper schlagartig verließ und sackte zusammen. Minutenlang schauten Alamma und ich uns gegenseitig stumm an, jeder war an eine Wand des Raumes gelehnt. Nur das Surren der magischen Lichtquelle war zu hören, die die Dunkelheit in regelmäßigen Abständen immer wieder in ein weiches Violett tauchte.
„Ihr könnt es nicht, oder?“, brach Alamma das Schweigen. Ich schaute ihn fragend an. „Töten. Ihr könnt keinen Wehrlosen töten.“, fügte er hinzu. Ich schwieg. „Das hatte ich befürchtet.“, seufzte Alamma. „Das war es, was mir Angst machte.“ Er nahm seinen Stab vom Boden und stützte sich damit ab, um aufzustehen. Er humpelte auf mich zu und ich sah seine Verletzungen, die ich ihm zugefügt hatte. Seine Robe war zerrissen von den Holzsplittern, die in seinem Bein steckten, aus seiner Nase tropfte Blut und ein Arm hing leblos an seinem Körper hinunter. Ich schaute zur Seite.
Als mein alter Meister vor mir stand, ließ er seinen Stab fallen und reichte mir seine Hand. Ich schaute weiter an ihm vorbei. „Aeluinya, bitte.“, sagte er mit tiefer, ruhiger Stimme und kam mit seiner Hand weiter zu mir runter. Nein, ich konnte nicht, ich konnte einfach nicht und schaute an die gegenüberliegende Wand – wohl in der naiven Hoffnung, dass er mich dann auch nicht sehen würde. Ich spürte seine Enttäuschung. Mir war nur nicht klar, ob es die war, ihm nicht die Hand zu reichen oder die, ihn nicht getötet zu haben. Alamma nickte und humpelte zu einem der wenigen Stühle, die noch als ganzes Stück auf dem Boden lagen. Er stellte ihn auf und setzte sich. „Ihr wart vor der Tür. Vorhin, als Itarildë bei mir war, das seid Ihr gewesen. Schmeißt keine Eimer um bei einer Beschattung!“ Alammas Gesicht versuchte, seine Schmerzen zu verstecken, die er zweifelsohne hatte als er sich auf dem Stuhl hin und her bewegte.
Meine Augen verließen die Wand und schauten ihn an. „Wer bin ich?“, flüsterte ich in den Raum.
Alamma räusperte sich. „Als Ihr damals zu mir kamt, wusste ich nicht, wer Ihr seid. Vermutet habe ich es, ja, am Anfang sogar gehofft.“ Er hielt inne und fügte leise hinzu: „Später habe ich gebetet, dass es nicht so ist.“
„Wer bin ich?“, unterbrach ich den Hexenmeister. Alamma schnaubte kurz, dann wurden seine Atemgeräusche ruhiger.
„Ael, erinnert Ihr Euch an Eure Kindheit?“
Ich schüttelte den Kopf.
„Eure Schwester auch nicht.“
Mit versteinertem Blick schaute ich zu Alamma. „Schwester?“
„Naja, Halbschwester um genau zu sein.“
Ich griff in meinen Beutel, zog den ungeöffneten Brief der Jägerin heraus und starrte ihn wissend an.
„Es war von vornherein klar, dass der Trank nicht ewig wirkt. Aber Euer Vater wollte nicht hören.“
„Was … was habt Ihr getan?“ Meine Augen wurden größer und mein Herz raste bei dem Gedanken, dass mein eigener Vater und mein Lehrmeister mir meine Erinnerungen genommen hatten.
„Ael, es war nur zu Eurem Schutz.“
Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen, mein Kopf schien zu explodieren.
„Nennt mich nicht Ael!“ Meine Hände zogen meinen erschöpften Körper an der Wand hoch, so dass ich stehen konnte. „Nennt mich nicht so wie es nur meine Freunde tun! Mein Name ist Aeluinya. Aeluinya Schattenkla…“ Ich verstummte.
Alamma schaute mich betrübt an. „Wir konnten Euren Trank für die weitere Behandlung damals nicht mehr richtig dosieren bevor sie kamen und alles in Brand setzten. Es tut mir leid.“
Mir wurde schwarz vor Augen. Ich versuchte noch, an der Wand Halt zu finden. Dann fiel ich ohnmächtig zu Boden.
Eine Antwort auf „Ein neues Leben“
Ich liebe es, wenn Ael so richtig böse wird. Jedenfalls, wenn ihr Zorn nicht mich trifft… *grinst*
Und es ist schön zu wissen, daß Ita und Ael wirklich echte Schwestern sind. Ich habe es gehofft, doch sicher war ich mir nie.