An diesem Abend wurde niemand von der Versammlung am großen Feuer ausgeschlossen. Selbst die Kleinsten waren dabei, in den Armen ihrer Mütter oder Schwestern, und versuchten die Müdigkeit wegzublinzeln, weil sie fühlten, dass etwas Besonderes im Anflug war. Nach dem gemeinsamen Essen trat ihr Häuptling in die Mitte und ließ seinen Blick vom einen zum anderen schweifen. Stolz und Zuneigung lagen in seinen Augen, alles um ihn herum verstummte und bedachte ihn mit einem Lächeln. Ermutigt durch die zahlreichen wohlwollenden Blicke hob er die Stimme.
„Frostwölfe, die Ihr hier versammelt seid – als Fremden habt Ihr mich aufgenommen, habt mir meine Herkunft offenbart und mir den Platz an der Spitze unseres Clans gegeben, so daß aus dem einstigen Sklaven nicht nur einfreier Orc, sondern der Häuptling einer ehrenwerten Gemeinschaft wurde. Ihr habt mich die Traditionen und Geschichten unseres Volkes gelehrt, und mein Herz füllt sich mit Trauer, wenn ich dabei in Euren Augen die Verzweiflung über alles Verlorene erblicke.
Ihr seid meinem Vater gefolgt in der Hoffnung, hier ein gutes Land zu finden, das Eure Kinder ernährt und ihnen eine frohe Zukunft bietet. Ihr habt ihm die Treue gehalten, als man ihn und die Seinen in die Verbannung schickte für den Versuch das Richtige zu tun. Dafür sollten Stolz und Freude in Euren Blicken ruhen, nicht Kummer und Verzweiflung.
Gul’dan versprach der Horde die Herrschaft über diese neue Welt. Ich sage, wir haben mehr als genug Schuld auf uns geladen, als wir das Volk der Draenei ausrotteten. Die Menschen sind unser Feind, doch sie sind Teil dieser Welt und sollen es bleiben. Ich will keinen Krieg führen, um eine ganze Rasse auszulöschen. Doch ich bitte Euch mit mir zu kämpfen, um unserem Volk seinen Platz hier zu sichern und unseren Nachkommen eine gute Heimat zu hinterlassen, wie sie uns Draenor einst gewesen ist.“
Sulrik, der beste Jäger des Clans, meldete sich zu Wort.
„Aber wie wollt Ihr kämpfen, Go’el? Wir sind hier kaum mehr als ein Dutzend Männer, die in der Lage sind die Streitaxt zu schwingen, und die Menschen waren zahlreich genug, um die verbündeten Clans zurückzuschlagen. Wir sind nicht einmal genug, um uns hier zu verteidigen, sollten sie uns in diesen Bergen finden.“
Go’el nickte.
„Und genau das ist ein Grund, warum wir nicht stillsitzen und abwarten sollten. Kein Versteck ist gut genug, um nicht irgendwann entdeckt zu werden. Viele gute Orcs sind im Krieg gegen die Menschen gefallen, doch viele sind noch am Leben und fristen ihr freudloses Dasein in den Internierungslagern als Sklaven der Menschen. Der Kriegshymnenclan und wir sind die einzigen, die noch als ganze Gemeinschaft in Freiheit leben. Wir sind die letzte Hoffnung unseres versklavten Volkes. Ich selbst kenne das Leben in Gefangenschaft nur zu gut. Bis ich zu Euch kam, war mein Name Thrall, und fortan will ich auch weiterhin Sklave genannt werden, bis auch der letzte Orc aus den Lagern befreit ist.“
Er ließ seinen Blick die Runde machen und erkannte die bangen Fragen und Zweifel in ihren Gesichtern. Schließlich nickte er.
„Ich rufe keinen von Euch zu den Waffen. Niemand soll je wieder gegen seine Überzeugung in den Kampf ziehen müssen, darauf gebe ich Euch mein Wort. Ich aber werde beim nächsten vollen Mond aufbrechen, um dem Kriegshymnenclan in dieser Sache beizustehen. Drek’Thar ist Euch seit dem Tod meines Vaters ein guter Anführer gewesen, und so verlasse ich Euch in dem Wissen, dass es Euch mit ihm an Eurer Seite an nichts fehlen wird. Ich achte niemanden geringer, der seine Familie nicht verlassen will oder dessen Gewissen keine weiteren Kämpfe duldet. Ist dennoch einer unter Euch, der mich begleiten wird?“
Aanugs Vater stand auf und sprach als erster die demütigende Bezeichnung aus, die der Häuptling für sich beanspruchte: „Thrall, was ist Eure Art zu kämpfen?“ Alle hielten den Atem an. Kag’ars Haltung machte deutlich, dass er bereit war den Häuptling herauszufordern, sollte die Antwort eine falsche sein.
„Ich kämpfe mit der Ehre eines Orcs. Stolz und Mitgefühl sollen beide meine Waffe führen.“
Kag’ar zog seine Axt, ging auf die Knie und legte seine Waffenhand zu Go’els – Thralls – Füßen nieder.
„So soll meine Axt Euch dienen. Treue bis in den Tod.“
Acht weitere Männer folgten seinem Beispiel, und zum ersten Mal seit achtzehn Jahren drang im Lager der Frostwölfe der Kriegsschrei der Orcs durch die Nacht und trug die Hoffnung auf bessere Zeiten hinauf zu den Sternen, so dass vielleicht noch wie ein fernes Wispern auf Draenor zu hören war:
„Lok’tar ogar! Sieg oder Tod!“