“Taugror?” Aeluinya schaute erstaunt zum Eingang des kleinen Gasthauses, in dem ein älterer und leicht verwirrt wirkender Taure stand. “Taugror!” Sie sprang von ihrem Stuhl auf und ein schon lange nicht mehr da gewesener Gesichtsausdruck breitete sich über ihren Mund bis zu den Augen aus: sie lächelte. Ihre Augen glänzten vor Ungläubigkeit und Freude und wie von einer gnomischen Apparatur gelenkt, rannte sie auf den Tauren zu. Als dieser erkannte, wer dort auf ihn zustürmte, brach ein freudiges Lachen aus ihm heraus. Seine kräftigen Zähne blitzen in der Nachmittagssonne und seine Arme öffneten sich, um das zierliche Wesen zu empfangen. Aeluinya umarmte den Tauren und grub ihr Gesicht in das dichte Fell ihres alten Freundes. “Verdammt, Taugror, wo warst du?” Sie schloss die Augen. “Wo warst du bloß die ganze Zeit?”
Kategorie: Aeluinya
Bis die Liebe zerbricht
Ich blinzelte in die Sonne. Die Umgebung war verschwommen. Schwarzer Rauch tanzte am Himmel über mir. Heiße Luft brannte in meiner Nase. Es roch nach verkohlter Erde und nach verkohltem Fleisch. Jede Bewegung war purer Schmerz. Ich krümmte mich auf dem Boden, doch der Schmerz suchte sich seinen Weg durch jeden erdenklichen Winkel meines Körpers. Ich keuchte und stand auf. Eine Hand hielt mich an meinem rechten Unterarm. Sie war von einem Goblin. Ich schaute zu meiner rechten Seite, doch an der Hand befand sich kein Körper mehr. Langsam löste ich die Finger der verkohlten Goblinüberreste und ließ sie zu Boden fallen. Der Sand flimmerte in der Hitze. Ich hustete und versuchte ruhig zu atmen, klopfte mir den Dreck von der Robe, richtete meinen Umhang und ging mit aufrechtem Gang Richtung Gadgetzan.
Die Erinnerung
Ich lag auf dem Bärenfell und starrte ins Feuer. Der Blick in die tänzelnden Flammen machte mich müde, doch meine Gedanken wollten nicht zur Ruhe kommen. Würde sie gerade an mich denken so wie ich an sie? Hatte sie mir meine bisherige Ablehnung verziehen? Konnte sie sich an mehr erinnern als ich? An die Zeit unserer Kindheit, die sich immer noch als ein großes, schwarzes Loch in meinem Gedächtnis befand. Ich starrte in das glühend heiße Lichtspiel des Kamins und versuchte, mich zu erinnern, doch es gelang mir einfach nicht. Was sollte ich ihr sagen, wenn wir uns gegenüberstehen? Wie sollte ich reagieren? Ich nahm einen weiteren Schluck Wein, nicht mehr wissend, der wievielte es inzwischen war. Meine Gedanken vernebelten sich wie mein Blick. Ich schaute mich um. Der Wohnraum des Landsitzes erschien mir immer mehr wie das „Rattenloch“. Doch Dalaran war in diesem Moment weit entfernt. Nur eines schien mir noch weiter entfernt. Itarildë. „Miro, der Wein … schon alle … bringt mehr.“ Der junge Diener stand stumm wartend an der Tür, nickte und drehte sich um. In diesem Moment kam Alamma herein und erwiderte auf den besorgten Blick von Miro mit ruhigem Tonfall: „Lasst ihr den einen Abend. Lasst sie heute Ihren Kummer ertränken. Aber gebt auf sie acht während ich fort bin. Ich weiß, dass ich mich auf Euch verlassen kann.“ Der Jüngling nickte erneut. Alamma drehte sich um und verließ den Raum.
Rückschlag
Der Landsitz der Schattenklangs lag tief in den Wäldern von Quel’Thalas, im Nimmersangwald. Es war kein großes Haus, kein prunkvolles Anwesen. Es war auch kein Ort voller Magie, wie man es vielleicht vermutet hätte. Nein, es war eine einfache Holzhütte, die von innen aber viel eindrucksvoller wirkte als von außen. Überall waren kleine Schnitzereien blutelfischer Kunst zu erkennen, die Räume wirkten jedoch weder geräumig noch großzügig ausgestattet. Sollte man sie mit einem Wort beschreiben, würde man wohl „gemütlich“ wählen. Das Haus war von dichten Bäumen umgeben und wenn man genau hinhörte, vernahm man das Rauschen des Meeres, das sich unweit des Anwesens befand. Im Keller des Landsitzes befand sich eine beachtliche Bibliothek, im Erdgeschoss ein Wohnbereich mit einem fast zu großen Kamin, die Küche, Vorratskammer und mehrere Zimmer für Bedienstete oder Gäste. Im Obergeschoss befanden sich die privaten Zimmer der Familie Schattenklang: ein Arbeitszimmer und die Schlafräume. In einem der Schlafräume saß ich auf dem Bett und schaute verwundert zu Alamma.
Der Kreis schließt sich
Die Sonne blendete meine Augen als ich aufwachte. Ich gähnte und schaute durch das kleine Holzfenster neben mir nach draußen. Dichte Bäume standen dort und ließen nur vereinzelt Strahlen durch ihre saftigen Blätterkronen. Einer davon traf direkt in mein Gesicht. Ich blinzelte und zog die warme, weiche Decke über meinen Kopf. „Verzeiht, Meisterin, ich werde die Stoffe vor die Fenster ziehen.“, hörte ich eine Stimme im Raum. Ich runzelte die Stirn. Vorsichtig schob ich die Decke bis kurz unter meine Augen und sah einen Jüngling, der gerade dabei war, die leichten Vorhänge vor das Fenster zu ziehen. Ich schaute ihn mit großen Augen an als er sich mit einem Lächeln umdrehte und seinen Kopf senkte. „Ich habe warme Milch für Euch und süßen Nektar. Das wird Euch gut tun.“ – „Äh … danke.“, erwiderte ich und zog die Decke wieder langsam über meinen Kopf in der Hoffnung, gleich aus diesem Traum zu erwachen.
Ein neues Leben
„Aeluinya … Aeluin …“, röchelte Alamma als ich seinen Hals mit fester Hand gegen die Wand drückte. Er packte meinen Arm und versuchte, sich von ihm zu befreien. Doch mit jedem Versuch, meinem Griff zu entkommen, zog ich meine Finger nur noch mehr zusammen. Alamma schnappte nach Luft, während ich ihn mit versteinerter Miene anschaute. „Ein einfaches Spiel. Ich frage, Ihr antwortet. Gefällt mir die Antwort, dürft Ihr leben.“, erklärte ich in ruhiger, fast sanfter Stimme die Regeln. Eine stimulierende Energie durchfloss meinen Körper, meine Augen funkelten wie die Lichtspiele des Himmels über Draenor, meine Adern wurden zu reißenden Flüssen des Feuers. Ich sah Angst im Gesicht meines alten Meisters und musste laut lachen. „Ihr habt Angst vor dem Tod? Vielleicht habe ich Euch überschätzt. Zu lange habt Ihr Euch in diesem Keller versteckt in sicherer Entfernung zum Kampfgeschehen. Ihr seid alt und schwach geworden.“ Ich schaute ihn angewidert an. Nach einer kurzen Pause fuhr ich fort: „Vielleicht wird es Zeit, Euren Platz freizugeben.“
Der Wendepunkt
Viele Tage verbrachte ich damit, kleineren Aufgaben nachzugehen. Ich tauschte meine vom Kampf schon arg mitgenommene Kleidung gegen bequeme Roben und genoss es, die eng geschnürten Gewänder mal abzulegen und mich in luftigen Stoffen eingehüllt durch Wälder und über Wiesen zu bewegen. Es erinnerte mich an die Zeit mit Isa und Juuly, an eine Zeit voller neuer Erfahrungen, voller Überraschungen und der kindlichen Vergleiche der aus heutiger Sicht lächerlichen Fähigkeiten der Magie. Es war eine Zeit voller Freude, voller Zuversicht. Doch wo war diese Zeit geblieben? War das der Preis für Ruhm, Stärke und Macht? Musste man sich selbst aufgeben, um höheren Zielen gerecht zu werden?
Ich haderte nicht mit dem Schicksal, nein, bestimmt nicht, denn der Kampf an der Seite der Finsteren Streiter erfüllte mich mit Stolz und Genugtuung. Diese Gemeinschaft ging weit über andere Bündnisse hinaus. So unterschiedlich, teils merkwürdig die Orks, Untoten, Trolle und Tauren in ihrem Wesen und auch in ihrem Geruch waren, die Streiter waren inzwischen mehr als eine Gilde. Sie waren eine Familie – meine Familie. Aber vielleicht wünschte ich mir auch so sehr eine Familie, weil ich nie eine echte hatte oder mich zumindest nicht erinnerte. Vielleicht wäre alles einfacher gewesen, wenn Isa und Juuly noch an meiner Seite gekämpft hätten, aber alles „wenn“ und „wäre“ brachte mich nicht weiter. „Nach vorne oder zurück, wohin willst du?“, fragte ich mich selbst. Vielleicht war es ja gar nicht mein Ziel, die Vergangenheit zu finden, sie zu verstehen – vielleicht musste ich sie einfach nur vergessen.
Wie viel Zeit war vergangen? Waren es Tage? Minuten? Waren es Stunden oder war es gar noch viel länger? Ich blinzelte. Das helle Licht tat in meinen Augen weh. Ein Stich direkt in den Sehnerv. Ich hatte das Gefühl, auf meinen leblosen Körper zu blicken. Als fremde Gestalt neben mir stehend. Ich sah, wie ich versuchte aufzustehen, wie ich Arme und Beine bewegte. Unkoordiniert und ohne Kraft krabbelte ich wie ein Insekt auf dem Steinboden umher. Erbärmlich. Schwach. Ich sah mich selbst flehend an. Töte mich! Zerquetsche mich! Doch ich stand nur da, schaute mir selbst tief in die Augen und zeigte auf den Rand des Steinvorsprungs, von dem es tief hinunter zur Terrasse des Lichts ging. Meine Hände griffen in die Fugen zwischen den Steinplatten und zogen mich Richtung Abgrund. Ich schaute hinab. Harter, fein geschliffener Stein war dort zu sehen. Die scharfen Kanten glänzten im Farbenspiel des Nethers. Wunderschön. Ich schloss die Augen und rollte über den Vorsprung. Die Luft umschlang meinen Körper, lies mich schwerelos scheinen. Mein Haar wehte um meine Stirn und meine Robe flatterte wie ein Banner des Triumphs im Wind. Ich öffnete die Augen und schaute nach oben. Dort stand ich an der Kante und blickte auf mich hinunter. Ich lächelte mich an. Dann durchzog ein Schmerz meinen Körper …
Überschätzung
Das Gasthaus in Dalaran war gut gefüllt. Ebenso die Orcs, Trolle und Tauren, die sich mit Geschichten ihrer Heldentaten übertrumpften und ihre Krüge aneinander oder anderen auf den Kopf schlugen. „Schade um die Krüge“, dachte ich mir nur. Ich mochte sie nicht und sie mochten mich nicht und so setzte ich mich auf das Bärenfell vor den Kamin und ließ mir von einer tänzelnden Trollfrau etwas zu trinken bringen. Ich wollte mich noch etwas ausruhen und Kraft sammeln bevor ich mich nach Eiskrone aufmachte. Doch dazu sollte es nicht kommen …
Freude und Leid
Das Feuer vor mir brannte in wunderschönen Orangetönen und fasziniert von dem Farbenspiel schaute ich in die Flammen. Wie jeden Abend hatte ich es mir auf einem Bärenfell vor dem Kamin des Gasthauses im Horden-Viertel von Dalaran bequem gemacht. Meist schlief ich sofort ein, manchmal habe ich auch noch an einen zurückliegenden oder bevorstehenden Kampf gedacht. Doch die letzten Abende waren meine Gedanken nur noch befallen von meiner Vergangenheit. So auch dieser. Ich erinnerte mich an die Anfangszeit meiner Reise, die mich hierher geführt hat …