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Itarildë

Frisch gestrichen.

Itarildë berührte mit den Fingern die strahlende Farbe der Eingangstür. Sie war noch feucht. Frisch und sauber, einladend. Taugror hatte sich alle Mühe gegeben, die Spuren der Zeit zu beseitigen und einen Anfang zu machen. Ein „frisch gestrichen“ – Schild wäre nicht verkehrt gewesen, aber mit solchen Kleinigkeiten gab sich der Taure wohl nicht gerne ab.

Vorsichtig, um nicht noch weitere Spuren auf der Farbschicht zu hinterlassen, schloss die Jägerin die Türen auf und betrat die Hallen, dicht gefolgt von Feuergold, der sich sogleich auf einer verstaubten Rüstung niederließ und sich zu putzen begann.

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Itarildë

Eine einfache Wahl

Gorrtak behielt recht. Es dauerte nicht lange, bis die Unruhe mich überkam. Der Wunsch in den Kampf zu ziehen, ganz gleich in welchen. Ich wollte meine Kräfte nutzen, an meine Grenzen gehen, mich verausgaben und der Gefahr ins Auge blicken. Fort von hier, wo ich bestenfalls einen unschuldigen Luchs oder ein klappriges Skelett ins Schussfeld bekommen konnte. Er war es, der mich davon abhielt. Er war es aber auch, der mir das Bleiben erträglich machte. Während drei Kaninchen über dem Feuer brieten, erzählte er mir Geschichten aus den frühen Tagen der Finsteren Streiter. Es schien Jahrhunderte her zu sein – Gorrtak als einfacher junger Peon ohne Ambitionen der Geißel die Stirn zu bieten, Aeluinya als unerfahrene Hexe, die ihr Handwerk erst noch erlernen sollte, Wargrok, der von Gorrtak als Verräter beschimpft wurde, nachdem dieser ihn mit einer Gruppe Nachtelfen gesehen hatte… An dieser Stelle sah ich betreten zu Boden. Er bemerkte es und lachte.

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Itarildë

In banger Erwartung

Die Nacht im Rattenloch wurde die längste meines Lebens. Zäh flossen die Stunden dahin. Ich lag auf dem Bärenfell und starrte ins Feuer. Der Blick in die tänzelnden Flammen machte mich müde, doch meine Gedanken wollten nicht zur Ruhe kommen. Würde sie da sein? Hatte sie mir verziehen? Konnte sie sich wirklich erinnern? Bedeutete ihr die gemeinsame Zeit unserer Kindheit vielleicht sogar ähnlich viel wie mir? Ich hoffte so sehr und fürchtete mich zugleich. Zum wiederholten Male wünschte ich mir, ich könnte ihr an einem anderen Ort gegenübertreten. Der Gedanke an die Drachenkönigin war mir unangenehm. Sie hatte etwas an sich, das ich nicht mochte. Etwas Kaltes, Berechnendes lag hinter ihrer Freundlichkeit verborgen. Ich erschauderte.

„Jägerin?“

„Nur ein Luftzug. Schlaft weiter.“ Dem Orc, der ein Stück von mir entfernt auf einem weiteren Fell sein Lager aufgeschlagen hatte, entging einfach nichts.

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Itarildë

Tabus

Vier Tage und Nächte lag ich im Fieber. Vier Tage und Nächte mühte sich Gorrtak ab, um mir in meinen wenigen halbwachen Momenten die Tropfen einzuflößen, die das Fieber senken sollten. Als ich endlich zum ersten Mal wach und gesund an seinem Tisch saß, fühlte ich mich noch schwach und etwas zittrig und nahm dankbar den Becher mit warmer Milch entgegen, den er mir zuschob. Ich trank langsam und musterte ihn zwischen den einzelnen Schlucken verstohlen. Das Veilchen, das sein linkes Auge zierte, schillerte in den prächtigsten Farben. Die Kratzer in seinem Gesicht verheilten bereits. Sein Unterarm war verbunden. Er sah unglaublich erschöpft aus – wahrscheinlich hatte er kaum ein Auge zugetan, seit ich an seine Tür gehämmert hatte.

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Flüsternde Visionen

Kein einziger Stern erhellte die Dunkelheit. Unter meinen Füßen spürte ich Eis. Ein wütender, beißender Wind zerrte an mir. Das Schwarz um mich herum schien bodenlos zu sein. Ich wagte mich in meiner Blindheit nicht zu bewegen. Mein Umhang schlug mir hart ins Gesicht, riss mich kurz darauf nach hinten. Die unberechenbaren Böen ließen mich taumeln.

Eiseskälte.

Sie zerschnitt mir die Haut. Zerriss meine Muskeln. Solche Schmerzen… Ich schrie, solange ich konnte, bis das Eis mir auch in die Lungen drang und sie lähmte. Die nächste Böe riss mich von den Füßen. Ich erwartete hart auf den Boden aufzuschlagen, doch ich fiel nur. Immer tiefer. Unmöglich zu überleben. Es war vorbei. Nein, war es nicht. Etwas fing mich auf. Hielt mich fest umfasst. Nun war das Fallen ein Fliegen. Die Kälte quälte mich noch immer, doch dem Tod war ich entronnen. Wie?

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Geister und Illusionen

In den frühen Morgenstunden nickte ich doch noch erschöpft ein. Als ich erwachte, war Paukaja fort. Das Feuer war heruntergebrannt. Ich stapelte frische Scheite auf und fachte es neu an. Dann brach ich mir etwas von dem frischen Kräuterbrot ab, um meinen knurrenden Magen zu besänftigen. Dem Fisch am Vorabend hatte ich nicht besonders viel abgewinnen können, hatte mir meine Laune doch den Appetit verdorben. Als ich mein Frühstück beendet hatte, trat Paukaja ein. Sie hielt sich gerader als am Tag zuvor, und sie wirkte entspannter. „Guten Morgen, Schläferin. Ich hoffe, Ihr habt Euch etwas erholt und seid nicht mehr so verärgert. Verzeiht einer alten Taurin, wenn sie zu neugierig gewesen ist.“ Ihr Blick ließ mich nicht los. Es lag Zufriedenheit und Wehmut zugleich darin. „Nein, Ihr habt nichts falsch gemacht. Ich bin zu aufbrausend, vergebt mir meine Launen“, bat ich sie.

„Selbst Eure Launen sind mir ans Herz gewachsen, Ita. Ich werde sie vermissen. Ich werde Euch vermissen. Doch Ihr werdet mich heute noch verlassen müssen. Beram erwartet Euch bereits auf der Anhöhe der Geister. Die Ahnen trugen ihm auf, Euch zu den Teichen der Visionen zu bringen. Die Geister wollen Euch sehen, mehr sagte er nicht.“

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Heimkehr

Sie hatte sich in eine kleine Hütte in der Nähe der Bluthufe zurückgezogen. Es war nicht schwer sie zu finden, wenngleich kein Weg zufällig an ihrer Zuflucht vorbeiführte. Ich kam nicht in die Verlegenheit an der Tür klopfen zu müssen. Sie kniete zwischen den Kräuterbeeten und rupfte Unkraut. Als ich zögerlich auf sie zuging, drehte sie sich vorsichtig um, als bereite ihr die Bewegung Schmerzen. Ihr Gesicht war alt und faltig geworden, doch in ihrem Blick leuchtete es auf, als sie mich erkannte.

„Kind, seid Ihr es wirklich?“ Sie erhob sich schwerfällig und schloss mich in die Arme. Ich stand etwas steif und unbeholfen da, bis ich auf die Idee kam, die Umarmung zu erwiedern. Seit Jahren hatte mich kein anderer als Feuergold mehr berührt. Es war ein sonderbares Gefühl, von so viel körperlicher Nähe überflutet zu werden. Ich hätte nicht sagen können, ob es angenehm oder unangenehm war, so fremd kam es mir vor.

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Verbannung

Ich kämpfte mich unzufrieden durch die Drachenöde. Vom Wyrmruhtempel hielt ich mich fern, gab es doch genügend Dinge in Gallgrim und Agmars Hammer zu erledigen. Der Anblick der weißen Landschaft gab mir keinen Frieden mehr. Ich fühlte mich von Feinden umgeben und konnte den Bewohnern keine freundschaftlichen Gefühle entgegenbringen. Sie waren Auftraggeber, mehr nicht. Ich kam ihnen zu Hilfe, um meine Taschen zu füllen, auf daß ich irgendwann das nötige Gold für den Reitlehrer beisammen hätte. Als ich den Federschmuck eines äußerst unangenehmen Vogels im Smaragddrachenschrein ablieferte – eine Trophäe, die ich nur dank Gorrtaks Unterstützung hatte erbeuten können -, teilte mir meine Auftraggeberin mit, daß Alexstrasza mich zu sehen wünschte. Hatte sie es sich anders überlegt? Würde sie nun ihr Wissen mit mir teilen?

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Sackgasse

Ich hatte mir Antworten und einen klareren Blick auf die Prophezeiung erhofft. Meine Reise zum Wyrmruhtempel war jedoch vergebens. Alexstrasza wusste oder ahnte etwas, daraus machte sie keinen Hehl, doch sie war nicht bereit es mir zu offenbaren. ‚Zu meinem eigenen Besten‘ würde sie erst mit mir über die Zukunft reden, wenn Aeluinya und ich in Eintracht vor ihr stünden. Jeder Widerstand und Protest stieß auf Granit. Die Lebensbinderin, die stets als gütige Hüterin allen Lebens gepriesen wurde, zeigte sich mir in dieser Hinsicht unerbittlich.

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Nozdormus Prophezeiung

Die Halle der Hexer war leer. Anscheinend brauchten auch Nethermanten von Zeit zu Zeit ihren Schlaf… Der übellaunige Schönling zog alle Vorhänge zu, entzündete ein spärliches Licht und webte einen Zauber, der alles in absolute Stille hüllte. Selbst die leisen, vereinzelten Geräusche der Nacht verstummten auf einen Schlag. Kein verirrter Vogelruf, kein Hufklappern später Reiter in der Ferne, kein gelegentliches Rufen, wenn die letzten Gasthausbesucher sich verabschiedeten. Es war, als hätte ein dicker Mantel alles Leben ausgesperrt. So musste es unter der Schneedecke Winterquells klingen…