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Itarildë

In banger Erwartung

Die Nacht im Rattenloch wurde die längste meines Lebens. Zäh flossen die Stunden dahin. Ich lag auf dem Bärenfell und starrte ins Feuer. Der Blick in die tänzelnden Flammen machte mich müde, doch meine Gedanken wollten nicht zur Ruhe kommen. Würde sie da sein? Hatte sie mir verziehen? Konnte sie sich wirklich erinnern? Bedeutete ihr die gemeinsame Zeit unserer Kindheit vielleicht sogar ähnlich viel wie mir? Ich hoffte so sehr und fürchtete mich zugleich. Zum wiederholten Male wünschte ich mir, ich könnte ihr an einem anderen Ort gegenübertreten. Der Gedanke an die Drachenkönigin war mir unangenehm. Sie hatte etwas an sich, das ich nicht mochte. Etwas Kaltes, Berechnendes lag hinter ihrer Freundlichkeit verborgen. Ich erschauderte.

„Jägerin?“

„Nur ein Luftzug. Schlaft weiter.“ Dem Orc, der ein Stück von mir entfernt auf einem weiteren Fell sein Lager aufgeschlagen hatte, entging einfach nichts.

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Aeluinya

Rückschlag

Der Landsitz der Schattenklangs lag tief in den Wäldern von Quel’Thalas, im Nimmersangwald. Es war kein großes Haus, kein prunkvolles Anwesen. Es war auch kein Ort voller Magie, wie man es vielleicht vermutet hätte. Nein, es war eine einfache Holzhütte, die von innen aber viel eindrucksvoller wirkte als von außen. Überall waren kleine Schnitzereien blutelfischer Kunst zu erkennen, die Räume wirkten jedoch weder geräumig noch großzügig ausgestattet. Sollte man sie mit einem Wort beschreiben, würde man wohl „gemütlich“ wählen. Das Haus war von dichten Bäumen umgeben und wenn man genau hinhörte, vernahm man das Rauschen des Meeres, das sich unweit des Anwesens befand. Im Keller des Landsitzes befand sich eine beachtliche Bibliothek, im Erdgeschoss ein Wohnbereich mit einem fast zu großen Kamin, die Küche, Vorratskammer und mehrere Zimmer für Bedienstete oder Gäste. Im Obergeschoss befanden sich die privaten Zimmer der Familie Schattenklang: ein Arbeitszimmer und die Schlafräume. In einem der Schlafräume saß ich auf dem Bett und schaute verwundert zu Alamma.

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Itarildë

Tabus

Vier Tage und Nächte lag ich im Fieber. Vier Tage und Nächte mühte sich Gorrtak ab, um mir in meinen wenigen halbwachen Momenten die Tropfen einzuflößen, die das Fieber senken sollten. Als ich endlich zum ersten Mal wach und gesund an seinem Tisch saß, fühlte ich mich noch schwach und etwas zittrig und nahm dankbar den Becher mit warmer Milch entgegen, den er mir zuschob. Ich trank langsam und musterte ihn zwischen den einzelnen Schlucken verstohlen. Das Veilchen, das sein linkes Auge zierte, schillerte in den prächtigsten Farben. Die Kratzer in seinem Gesicht verheilten bereits. Sein Unterarm war verbunden. Er sah unglaublich erschöpft aus – wahrscheinlich hatte er kaum ein Auge zugetan, seit ich an seine Tür gehämmert hatte.

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Itarildë

Flüsternde Visionen

Kein einziger Stern erhellte die Dunkelheit. Unter meinen Füßen spürte ich Eis. Ein wütender, beißender Wind zerrte an mir. Das Schwarz um mich herum schien bodenlos zu sein. Ich wagte mich in meiner Blindheit nicht zu bewegen. Mein Umhang schlug mir hart ins Gesicht, riss mich kurz darauf nach hinten. Die unberechenbaren Böen ließen mich taumeln.

Eiseskälte.

Sie zerschnitt mir die Haut. Zerriss meine Muskeln. Solche Schmerzen… Ich schrie, solange ich konnte, bis das Eis mir auch in die Lungen drang und sie lähmte. Die nächste Böe riss mich von den Füßen. Ich erwartete hart auf den Boden aufzuschlagen, doch ich fiel nur. Immer tiefer. Unmöglich zu überleben. Es war vorbei. Nein, war es nicht. Etwas fing mich auf. Hielt mich fest umfasst. Nun war das Fallen ein Fliegen. Die Kälte quälte mich noch immer, doch dem Tod war ich entronnen. Wie?

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Itarildë

Geister und Illusionen

In den frühen Morgenstunden nickte ich doch noch erschöpft ein. Als ich erwachte, war Paukaja fort. Das Feuer war heruntergebrannt. Ich stapelte frische Scheite auf und fachte es neu an. Dann brach ich mir etwas von dem frischen Kräuterbrot ab, um meinen knurrenden Magen zu besänftigen. Dem Fisch am Vorabend hatte ich nicht besonders viel abgewinnen können, hatte mir meine Laune doch den Appetit verdorben. Als ich mein Frühstück beendet hatte, trat Paukaja ein. Sie hielt sich gerader als am Tag zuvor, und sie wirkte entspannter. „Guten Morgen, Schläferin. Ich hoffe, Ihr habt Euch etwas erholt und seid nicht mehr so verärgert. Verzeiht einer alten Taurin, wenn sie zu neugierig gewesen ist.“ Ihr Blick ließ mich nicht los. Es lag Zufriedenheit und Wehmut zugleich darin. „Nein, Ihr habt nichts falsch gemacht. Ich bin zu aufbrausend, vergebt mir meine Launen“, bat ich sie.

„Selbst Eure Launen sind mir ans Herz gewachsen, Ita. Ich werde sie vermissen. Ich werde Euch vermissen. Doch Ihr werdet mich heute noch verlassen müssen. Beram erwartet Euch bereits auf der Anhöhe der Geister. Die Ahnen trugen ihm auf, Euch zu den Teichen der Visionen zu bringen. Die Geister wollen Euch sehen, mehr sagte er nicht.“

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Aeluinya

Der Kreis schließt sich

Die Sonne blendete meine Augen als ich aufwachte. Ich gähnte und schaute durch das kleine Holzfenster neben mir nach draußen. Dichte Bäume standen dort und ließen nur vereinzelt Strahlen durch ihre saftigen Blätterkronen. Einer davon traf direkt in mein Gesicht. Ich blinzelte und zog die warme, weiche Decke über meinen Kopf. „Verzeiht, Meisterin, ich werde die Stoffe vor die Fenster ziehen.“, hörte ich eine Stimme im Raum. Ich runzelte die Stirn. Vorsichtig schob ich die Decke bis kurz unter meine Augen und sah einen Jüngling, der gerade dabei war, die leichten Vorhänge vor das Fenster zu ziehen. Ich schaute ihn mit großen Augen an als er sich mit einem Lächeln umdrehte und seinen Kopf senkte. „Ich habe warme Milch für Euch und süßen Nektar. Das wird Euch gut tun.“ – „Äh … danke.“, erwiderte ich und zog die Decke wieder langsam über meinen Kopf in der Hoffnung, gleich aus diesem Traum zu erwachen.

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Itarildë

Heimkehr

Sie hatte sich in eine kleine Hütte in der Nähe der Bluthufe zurückgezogen. Es war nicht schwer sie zu finden, wenngleich kein Weg zufällig an ihrer Zuflucht vorbeiführte. Ich kam nicht in die Verlegenheit an der Tür klopfen zu müssen. Sie kniete zwischen den Kräuterbeeten und rupfte Unkraut. Als ich zögerlich auf sie zuging, drehte sie sich vorsichtig um, als bereite ihr die Bewegung Schmerzen. Ihr Gesicht war alt und faltig geworden, doch in ihrem Blick leuchtete es auf, als sie mich erkannte.

„Kind, seid Ihr es wirklich?“ Sie erhob sich schwerfällig und schloss mich in die Arme. Ich stand etwas steif und unbeholfen da, bis ich auf die Idee kam, die Umarmung zu erwiedern. Seit Jahren hatte mich kein anderer als Feuergold mehr berührt. Es war ein sonderbares Gefühl, von so viel körperlicher Nähe überflutet zu werden. Ich hätte nicht sagen können, ob es angenehm oder unangenehm war, so fremd kam es mir vor.

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Aeluinya

Ein neues Leben

„Aeluinya … Aeluin …“, röchelte Alamma als ich seinen Hals mit fester Hand gegen die Wand drückte. Er packte meinen Arm und versuchte, sich von ihm zu befreien. Doch mit jedem Versuch, meinem Griff zu entkommen, zog ich meine Finger nur noch mehr zusammen. Alamma schnappte nach Luft, während ich ihn mit versteinerter Miene anschaute. „Ein einfaches Spiel. Ich frage, Ihr antwortet. Gefällt mir die Antwort, dürft Ihr leben.“, erklärte ich in ruhiger, fast sanfter Stimme die Regeln. Eine stimulierende Energie durchfloss meinen Körper, meine Augen funkelten wie die Lichtspiele des Himmels über Draenor, meine Adern wurden zu reißenden Flüssen des Feuers. Ich sah Angst im Gesicht meines alten Meisters und musste laut lachen. „Ihr habt Angst vor dem Tod? Vielleicht habe ich Euch überschätzt. Zu lange habt Ihr Euch in diesem Keller versteckt in sicherer Entfernung zum Kampfgeschehen. Ihr seid alt und schwach geworden.“ Ich schaute ihn angewidert an. Nach einer kurzen Pause fuhr ich fort: „Vielleicht wird es Zeit, Euren Platz freizugeben.“

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Aeluinya

Der Wendepunkt

Viele Tage verbrachte ich damit, kleineren Aufgaben nachzugehen. Ich tauschte meine vom Kampf schon arg mitgenommene Kleidung gegen bequeme Roben und genoss es, die eng geschnürten Gewänder mal abzulegen und mich in luftigen Stoffen eingehüllt durch Wälder und über Wiesen zu bewegen. Es erinnerte mich an die Zeit mit Isa und Juuly, an eine Zeit voller neuer Erfahrungen, voller Überraschungen und der kindlichen Vergleiche der aus heutiger Sicht lächerlichen Fähigkeiten der Magie. Es war eine Zeit voller Freude, voller Zuversicht. Doch wo war diese Zeit geblieben? War das der Preis für Ruhm, Stärke und Macht? Musste man sich selbst aufgeben, um höheren Zielen gerecht zu werden?

Ich haderte nicht mit dem Schicksal, nein, bestimmt nicht, denn der Kampf an der Seite der Finsteren Streiter erfüllte mich mit Stolz und Genugtuung. Diese Gemeinschaft ging weit über andere Bündnisse hinaus. So unterschiedlich, teils merkwürdig die Orks, Untoten, Trolle und Tauren in ihrem Wesen und auch in ihrem Geruch waren, die Streiter waren inzwischen mehr als eine Gilde. Sie waren eine Familie – meine Familie. Aber vielleicht wünschte ich mir auch so sehr eine Familie, weil ich nie eine echte hatte oder mich zumindest nicht erinnerte. Vielleicht wäre alles einfacher gewesen, wenn Isa und Juuly noch an meiner Seite gekämpft hätten, aber alles „wenn“ und „wäre“ brachte mich nicht weiter. „Nach vorne oder zurück, wohin willst du?“, fragte ich mich selbst. Vielleicht war es ja gar nicht mein Ziel, die Vergangenheit zu finden, sie zu verstehen – vielleicht musste ich sie einfach nur vergessen.

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Nurm

Die Erkenntnis

Nurm blinzelte kurz und folgte dann dem Orc. Dieser war gerade dabei, sich mit einem großen, feuchten Lappen das Gesicht zu säubern. Dann fuhr er fort, seine Hände zu reinigen. Als er damit fertig war, stampfte er den Lappen zu einem Knäuel zusammen und warf ihn in eine Ecke. Der Orc, dem Äußeren nach unverkennbar ein Krieger, warf dem Untoten einen kurzen Blick zu und setzte sich dann an einen Tisch. Der Wirt, ein Untoter, einer Verlassener, kam sogleich angeeilt, nicht bevor er den Lappen aufgelesen hatte, und stellte dem Orc einen Humpen hin, gefüllt mit frischem Bier.